Achterbahn der Gefühle
In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz i eine jahrhundertealte Eiche ein, und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.
1. Glück auf Lindenhain
„Jippiiiieh! Schneller, Sternentänzer, lauf!“ Carolin juchzte vor Begeisterung, während sie auf dem Rücken ihres wunderschönen Araberhengstes über die Wiese nahe dem Reithof Lindenhain galoppierte. Sie hatte sich weit nach vorne gebeugt, sodass ihr die seidenweiche mondhelle Mähne des Pferdes ins Gesicht wehte. Ach, wie ist das herrlich! Endlich wieder so unbeschwert mit dir ausreiten zu können! So lange haben wir das nicht mehr gemacht, Sternentänzer!
Carolin Baumgarten, genannt Caro, gab ihrem Pferd das Kommando langsamer zu werden. Sternentänzer fiel zuerst in den Trab und wechselte schließlich in einen gemächlichen Schritt. Während Carolin sich aufrichtete, legte sie ihre Stirn in Falten und grübelte. Einen Monat lang, zwei Monate, drei … ? Ich weiß es nicht genau. Eigentlich nicht mehr, seit ich auf Mallorca war. Ja, genau! Seit ich sie gesehen habe. Diese Falak. Mit einer hastigen Bewegung fuhr sich Caro über ihr Gesicht – so, als könne sie damit die Erinnerung an Falak wegwischen. Eine wilde Stute, die Sternentänzers Mutter war.
„Huch, was ist das denn?“ rief sie plötzlich aus, als ein kleines, feuchtes und kaltes Etwas, das ganz sanft auf ihrer Nasenspitze Platz genommen hatte, sie aus ihren Gedanken riss. Schnee? Jetzt? Dafür ist es doch viel zu warm! Das kann nicht sein.
Doch als Caro aufschaute, merkte sie, dass es tatsächlich schneite. Dicke weiße Schneeflocken wirbelten wie Wattebällchen durch die Luft und fielen auf die Erde – doch sobald die Boten des Winters den Boden berührten, schmolzen sie dahin.
Carolin blinzelte kurz in den grauen wolkenverhangenen Himmel. Dann richtete sie ihre Augen wieder auf den wunderschönen weißen Araberhengst – und trotz des plötzlichen Wintereinbruchs und der Kälte durchströmte ein wohliges Glücksgefühl ihren Körper. „ Mein lieber, süßer Sternentänzer“, seufzte Carolin und hätte am liebsten die ganze Welt umarmt, so glücklich fühlte sie sich in diesen Augenblick. „Ich bin ja so froh, dass nun wieder alles gut ist!“
Sternentänzer schien den Schnee ebenso zu genießen: Immer wieder reckte er seinen eleganten mondhellen Kopf den Flocken entgegen.
„Mein braver,lieber Sternentänzer“, wiederholte Carolin und leckte mit der Zunge eine vorwitzige Schneeflocke weg, die auf ihren Lippen gelandet war. Endlich konnte sie sich wieder unbeschwert an ihrem prächtigen Schimmel erfreuen. Vorbei war die große Angst, ihr geliebtes Pferd könnte böse und aggressiv werden. Inzwischen wusste Carolin, dass Sternentänzer nicht von sich aus böse wurde, sondern nur, wenn er mit bösen oder schlechten Menschen zu tun hatte. Oder wenn sie ihm nicht mehr vertraute. Es hatte lange gedauert, bis sie das herausgefunden hatte – und seither fühlte sie sich endlos erleichtert.
Alles hatte mit einem Besuch bei ihrem Vater, der auf Mallorca lebte, angefangen. Dort hatte sie Falak, Sternentänzers Mutter, entdeckt. Ganz im Gegensatz zu ihrem Sohn hatte sich diese Stute als sehr wild und böse entpuppt, und ihr Besitzer, ein alter Mann namens Carlos Gracia, hatte zudem behauptet, dass Falak erst so böse geworden sei, nachdem sie Sternentänzer geboren hatte. Carlos Gracia vermutete daher, dass auch Sternentänzer etwas Böses an sich haben müsse. Lange zeit hatte Caro um ihren Hengst gebangt. Ihn genau beobachtet … und schließlich war das eingetreten, wovor sie sich gefürchtet hatte. Sternentänzer hat sich mehrmals aggressiv verhalten. Das war echt schlimm, Sternentänzer! Ich war völlig verzweifelt und hatte keine Ahnung, warum du dich so aufgeführt hast!
Nur mit Schaudern erinnerte sich Carolin an die schreckliche Zeit, in der tiefe Sorgen sie geplagt hatten. Die ständig Angst, dass Sternentänzer vielleicht genauso würde wie seine Mutter Falak. Und dass sie ihn eines Tages vielleicht sogar weggeben müsse. Doch zum Glück hat Ami dann das Rätsel gelöst und ihr den Grund für Sternentänzers seltsames Verhalten genannt. Ami war eine hexe und Heilerin und die Großmutter ihrer besten Freundin Lina. Die weise alte Frau hatte Carolin schließlich erklärt, dass sie ihrem Pferd einfach vertrauen müsse. Dann würde alles gut werden – und so war es auch!
Überglücklich ließ Carolin kurz die Zügel los, breitete ihre Arme aus und reckte ihr Gesicht den Schneeflocken entgegen. Dabei stieß sie einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Ich werde meinem Sternentänzer künftig immer vertrauen. Ganz bestimmt! Und mit bösen Menschen hat er ja auch nichts zu tun!
Carolin nahm die Zügel wieder auf und dirigierte ihr Pferd quer über den Hof von Lindenhain. Kurz vor dem Eingang vom Stall glitt sie aus dem Sattel und führte Sternentänzer in die Box.
Während sie den Hengst absattelte und putzte, schweiften ihre Gedanken ganz automatisch wieder um die letzten Monate. „Mann, Sternentänzer, wie sehr hab ich dich damals vermisst!“, murmelte sie und schmiegte sich dabei ganz fest an den Hals des geliebten Pferdes. „Ich weiß gar nicht, wie ich es überhaupt ohne dich aushalten konnte.“ Obwohl die Zeit damals für Carolin unheimlich schwierig gewesen war, sie die vertrauten Stunden mit ihrem Pferd ganz arg vermisst hatte, so wurde ihr doch erst im Nachhinein so richtig bewusst, wie sehr sie eigentlich gelitten hatte. Aber nur war zum Glück alles vorbei.
„Vorbei!“, schrie sie lauthals und schnaufte tief.
„Ey, alles klar bei dir?“, hörte sie ihre beste Freundin Lina Schniggenfittich. Das Naturmädchen mit leuchtend grünen Augen trug wie immer mehrere geblümte Röcke übereinander, eine bunte Bluse und dazu dicke Schnürstiefel. Ihre rote Haarmähne hatte sie locker zu einem Pferdeschwanz gebunden.
„Es war noch nie klarer.“Carolins Lächeln vertiefte sich. „Ich bin so wahnsinnig froh, dass der ganze Spuk endlich vorüber ist.“
Lina lehnt sich gegen die Boxentür. „Und ich bin so froh, dass ich meine Freundin zurückhab. In der letzten zeit warst du echt drauf wie ein Zombie.“
„Stimmt“, nickte Carolin. „Genauso hab ich mich auch gefühlt. Die Sorge um Sternentänzer hat mich fast wahnsinnig gemacht!“
„Aber zum Glück bist du ja nun wieder die Alte!“
„Ja, das bin ich“, strahlte Carolin und strich zärtlich über das weich Fell ihres Pferdes.
Wie zur Bestätigung stieß Sternentänzer ein leises Schnauben aus, hob den Kopf und schnupperte sanft über Carolins Gesicht. Seine Tasthaare berührten ihre Wangen.
„Puh, das kitzelt!“, kicherte Carolin und wich einen Schritt zurück.
Lina trat auf die Boxengasse. „Ach übrigens, Thorben hat erzählt, dass dein Vater und seine neue Freundin euch demnächst besuchen werden. Wie kommt dass denn so plötzlich?“
Thorben Sander war Linas Freund und Carolins Stiefbruder. Sein Vater, der Tierarzt Doktor Sander, und Carolins Mutter hatten vor Kurzem geheiratet.
Carolin nickte. „Meine Schuld. Mam ist es natürlich nicht entgangen dass ich seit Mallorca megaschlecht drauf war. Sie dachte, meine miese Stimmung würde mit Paps zusammenhängen. Deswegen hat sie ihn ziemlich spontan angerufen und eingeladen.“ Carolin schmunzelte. „Schätze inzwischen bereut sie das schon, aber sie kann ihn ja schlecht wieder ausladen. Steht allerdings noch nicht ganz fest, ob´s auch klappt.“
Lina rollte ihre schönen grünen Augen. „Da stehen dir ja möglicherweise ein paar turbulente Tage ins Haus.“
Carolins grinsen wurde noch breiter. „ich fänd´s klasse. Ich würde sie schon gerne wiedersehen. Paps und auch seine neue Freundin Carmela.“
„Wie ist diese Carmela denn so?“, erkundigte sich Lina.
„Kaum älter als wir, echt hübsch und voll cool.“, antwortete Carolin. „ich hab mich richtig mit ihr angefreundet, als ich auf Mallorca war.“
„Und wie findet deine Mutter sie?“
Carolin zog eine Grimasse. „Mam hat keine Ahnung – weder wie sie Aussieht noch wie alt sie ist. Bin echt mal gespannt, wie sie darauf reagiert.“
Zum Abschied drückte Carolin ihrem Pferd ein Kuss auf die Nüstern, dann schlossen die Mädchen die Boxentüren und gingen auf den Hof.
Lina warf eine Haarsträhne zurück die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelockert hatte und der Wind ihr nun ins Gesicht bließ. „Da wird deine Mutter schon ziemlich überrascht sein.“
„Wenn sie tatsächlich kommen! Paps weiß nämlich noch nicht genau ob er das arbeitsmäßig hinkriegt.“ Carolin machte eine schnelle ausholende Handbewegung und versuchte, eine Schneeflocke zu erhaschen.
„Nee, so geht das nicht!“ Lina streckte ihre flache Hand aus, und die Schneeflocke landete darauf. „Schneeflocken sind wie federn oder wie das Glück. Sobald man versucht, danach zu jagen, verschwinden sie. Wenn du aber geduldig deine Hand hinhälst kommen sie von alleine.“
„Klingt nach ein Ami-Spruch.“, sagte Carolin und grinste.
„ist es auch!“, gab Lina zu. „gestern gelernt.“ Lina sollte eines Tages die Nachfolgerin ihrer Großmutter werden und nahm daher schon eine ganze weile Unterricht bei ihr. Mit wechselndem Erfolg. Mal lief es gut, mal weniger gut. Momentan lief es sehr schlecht. Lina wandte sich zu Carolin. „Sag mal, hast du mich gestern angerufen?“, fragte sie ganz unvermittelt.
Carolin schüttelte den Kopf. „Nee, ganz bestimmt nicht! Wenn ich dich anrufe will ich auch mit dir sprechen. Warum also sollte ich auflegen?!“
„Komisch!“ Lina zögerte einen Moment und holte tief Luft. „vorgestern kam auch schon so ein dämlicher Anruf. Wenn ich rangehe meldet sich niemand. Aber man hört, dass jemand dran ist und nach einer Weile wird aufgelegt.“
„Wahrscheinlich hat sich jemand einfach nur verwählt.“, vermutete Carolin ohne Lina´s Worte allzu große Bedeutung beizumessen.
„Wahrscheinlich.“, antwortete Lina und versuchte das kleine Grummeln zu ignorieren, das sich in ihrem Bauch warnend ausbreitete.
Wenig später machen sich die beiden Mädchen auf den Heimweg.
In einer stürmischen Vollmondnacht schlägt ein Blitz i eine jahrhundertealte Eiche ein, und eine Sternschnuppe fällt vom Himmel. Im gleichen Moment wird ein wunderschöner Schimmel mit einem kleinen schwarzen Stern auf der Stirn geboren.
1. Glück auf Lindenhain
„Jippiiiieh! Schneller, Sternentänzer, lauf!“ Carolin juchzte vor Begeisterung, während sie auf dem Rücken ihres wunderschönen Araberhengstes über die Wiese nahe dem Reithof Lindenhain galoppierte. Sie hatte sich weit nach vorne gebeugt, sodass ihr die seidenweiche mondhelle Mähne des Pferdes ins Gesicht wehte. Ach, wie ist das herrlich! Endlich wieder so unbeschwert mit dir ausreiten zu können! So lange haben wir das nicht mehr gemacht, Sternentänzer!
Carolin Baumgarten, genannt Caro, gab ihrem Pferd das Kommando langsamer zu werden. Sternentänzer fiel zuerst in den Trab und wechselte schließlich in einen gemächlichen Schritt. Während Carolin sich aufrichtete, legte sie ihre Stirn in Falten und grübelte. Einen Monat lang, zwei Monate, drei … ? Ich weiß es nicht genau. Eigentlich nicht mehr, seit ich auf Mallorca war. Ja, genau! Seit ich sie gesehen habe. Diese Falak. Mit einer hastigen Bewegung fuhr sich Caro über ihr Gesicht – so, als könne sie damit die Erinnerung an Falak wegwischen. Eine wilde Stute, die Sternentänzers Mutter war.
„Huch, was ist das denn?“ rief sie plötzlich aus, als ein kleines, feuchtes und kaltes Etwas, das ganz sanft auf ihrer Nasenspitze Platz genommen hatte, sie aus ihren Gedanken riss. Schnee? Jetzt? Dafür ist es doch viel zu warm! Das kann nicht sein.
Doch als Caro aufschaute, merkte sie, dass es tatsächlich schneite. Dicke weiße Schneeflocken wirbelten wie Wattebällchen durch die Luft und fielen auf die Erde – doch sobald die Boten des Winters den Boden berührten, schmolzen sie dahin.
Carolin blinzelte kurz in den grauen wolkenverhangenen Himmel. Dann richtete sie ihre Augen wieder auf den wunderschönen weißen Araberhengst – und trotz des plötzlichen Wintereinbruchs und der Kälte durchströmte ein wohliges Glücksgefühl ihren Körper. „ Mein lieber, süßer Sternentänzer“, seufzte Carolin und hätte am liebsten die ganze Welt umarmt, so glücklich fühlte sie sich in diesen Augenblick. „Ich bin ja so froh, dass nun wieder alles gut ist!“
Sternentänzer schien den Schnee ebenso zu genießen: Immer wieder reckte er seinen eleganten mondhellen Kopf den Flocken entgegen.
„Mein braver,lieber Sternentänzer“, wiederholte Carolin und leckte mit der Zunge eine vorwitzige Schneeflocke weg, die auf ihren Lippen gelandet war. Endlich konnte sie sich wieder unbeschwert an ihrem prächtigen Schimmel erfreuen. Vorbei war die große Angst, ihr geliebtes Pferd könnte böse und aggressiv werden. Inzwischen wusste Carolin, dass Sternentänzer nicht von sich aus böse wurde, sondern nur, wenn er mit bösen oder schlechten Menschen zu tun hatte. Oder wenn sie ihm nicht mehr vertraute. Es hatte lange gedauert, bis sie das herausgefunden hatte – und seither fühlte sie sich endlos erleichtert.
Alles hatte mit einem Besuch bei ihrem Vater, der auf Mallorca lebte, angefangen. Dort hatte sie Falak, Sternentänzers Mutter, entdeckt. Ganz im Gegensatz zu ihrem Sohn hatte sich diese Stute als sehr wild und böse entpuppt, und ihr Besitzer, ein alter Mann namens Carlos Gracia, hatte zudem behauptet, dass Falak erst so böse geworden sei, nachdem sie Sternentänzer geboren hatte. Carlos Gracia vermutete daher, dass auch Sternentänzer etwas Böses an sich haben müsse. Lange zeit hatte Caro um ihren Hengst gebangt. Ihn genau beobachtet … und schließlich war das eingetreten, wovor sie sich gefürchtet hatte. Sternentänzer hat sich mehrmals aggressiv verhalten. Das war echt schlimm, Sternentänzer! Ich war völlig verzweifelt und hatte keine Ahnung, warum du dich so aufgeführt hast!
Nur mit Schaudern erinnerte sich Carolin an die schreckliche Zeit, in der tiefe Sorgen sie geplagt hatten. Die ständig Angst, dass Sternentänzer vielleicht genauso würde wie seine Mutter Falak. Und dass sie ihn eines Tages vielleicht sogar weggeben müsse. Doch zum Glück hat Ami dann das Rätsel gelöst und ihr den Grund für Sternentänzers seltsames Verhalten genannt. Ami war eine hexe und Heilerin und die Großmutter ihrer besten Freundin Lina. Die weise alte Frau hatte Carolin schließlich erklärt, dass sie ihrem Pferd einfach vertrauen müsse. Dann würde alles gut werden – und so war es auch!
Überglücklich ließ Carolin kurz die Zügel los, breitete ihre Arme aus und reckte ihr Gesicht den Schneeflocken entgegen. Dabei stieß sie einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Ich werde meinem Sternentänzer künftig immer vertrauen. Ganz bestimmt! Und mit bösen Menschen hat er ja auch nichts zu tun!
Carolin nahm die Zügel wieder auf und dirigierte ihr Pferd quer über den Hof von Lindenhain. Kurz vor dem Eingang vom Stall glitt sie aus dem Sattel und führte Sternentänzer in die Box.
Während sie den Hengst absattelte und putzte, schweiften ihre Gedanken ganz automatisch wieder um die letzten Monate. „Mann, Sternentänzer, wie sehr hab ich dich damals vermisst!“, murmelte sie und schmiegte sich dabei ganz fest an den Hals des geliebten Pferdes. „Ich weiß gar nicht, wie ich es überhaupt ohne dich aushalten konnte.“ Obwohl die Zeit damals für Carolin unheimlich schwierig gewesen war, sie die vertrauten Stunden mit ihrem Pferd ganz arg vermisst hatte, so wurde ihr doch erst im Nachhinein so richtig bewusst, wie sehr sie eigentlich gelitten hatte. Aber nur war zum Glück alles vorbei.
„Vorbei!“, schrie sie lauthals und schnaufte tief.
„Ey, alles klar bei dir?“, hörte sie ihre beste Freundin Lina Schniggenfittich. Das Naturmädchen mit leuchtend grünen Augen trug wie immer mehrere geblümte Röcke übereinander, eine bunte Bluse und dazu dicke Schnürstiefel. Ihre rote Haarmähne hatte sie locker zu einem Pferdeschwanz gebunden.
„Es war noch nie klarer.“Carolins Lächeln vertiefte sich. „Ich bin so wahnsinnig froh, dass der ganze Spuk endlich vorüber ist.“
Lina lehnt sich gegen die Boxentür. „Und ich bin so froh, dass ich meine Freundin zurückhab. In der letzten zeit warst du echt drauf wie ein Zombie.“
„Stimmt“, nickte Carolin. „Genauso hab ich mich auch gefühlt. Die Sorge um Sternentänzer hat mich fast wahnsinnig gemacht!“
„Aber zum Glück bist du ja nun wieder die Alte!“
„Ja, das bin ich“, strahlte Carolin und strich zärtlich über das weich Fell ihres Pferdes.
Wie zur Bestätigung stieß Sternentänzer ein leises Schnauben aus, hob den Kopf und schnupperte sanft über Carolins Gesicht. Seine Tasthaare berührten ihre Wangen.
„Puh, das kitzelt!“, kicherte Carolin und wich einen Schritt zurück.
Lina trat auf die Boxengasse. „Ach übrigens, Thorben hat erzählt, dass dein Vater und seine neue Freundin euch demnächst besuchen werden. Wie kommt dass denn so plötzlich?“
Thorben Sander war Linas Freund und Carolins Stiefbruder. Sein Vater, der Tierarzt Doktor Sander, und Carolins Mutter hatten vor Kurzem geheiratet.
Carolin nickte. „Meine Schuld. Mam ist es natürlich nicht entgangen dass ich seit Mallorca megaschlecht drauf war. Sie dachte, meine miese Stimmung würde mit Paps zusammenhängen. Deswegen hat sie ihn ziemlich spontan angerufen und eingeladen.“ Carolin schmunzelte. „Schätze inzwischen bereut sie das schon, aber sie kann ihn ja schlecht wieder ausladen. Steht allerdings noch nicht ganz fest, ob´s auch klappt.“
Lina rollte ihre schönen grünen Augen. „Da stehen dir ja möglicherweise ein paar turbulente Tage ins Haus.“
Carolins grinsen wurde noch breiter. „ich fänd´s klasse. Ich würde sie schon gerne wiedersehen. Paps und auch seine neue Freundin Carmela.“
„Wie ist diese Carmela denn so?“, erkundigte sich Lina.
„Kaum älter als wir, echt hübsch und voll cool.“, antwortete Carolin. „ich hab mich richtig mit ihr angefreundet, als ich auf Mallorca war.“
„Und wie findet deine Mutter sie?“
Carolin zog eine Grimasse. „Mam hat keine Ahnung – weder wie sie Aussieht noch wie alt sie ist. Bin echt mal gespannt, wie sie darauf reagiert.“
Zum Abschied drückte Carolin ihrem Pferd ein Kuss auf die Nüstern, dann schlossen die Mädchen die Boxentüren und gingen auf den Hof.
Lina warf eine Haarsträhne zurück die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelockert hatte und der Wind ihr nun ins Gesicht bließ. „Da wird deine Mutter schon ziemlich überrascht sein.“
„Wenn sie tatsächlich kommen! Paps weiß nämlich noch nicht genau ob er das arbeitsmäßig hinkriegt.“ Carolin machte eine schnelle ausholende Handbewegung und versuchte, eine Schneeflocke zu erhaschen.
„Nee, so geht das nicht!“ Lina streckte ihre flache Hand aus, und die Schneeflocke landete darauf. „Schneeflocken sind wie federn oder wie das Glück. Sobald man versucht, danach zu jagen, verschwinden sie. Wenn du aber geduldig deine Hand hinhälst kommen sie von alleine.“
„Klingt nach ein Ami-Spruch.“, sagte Carolin und grinste.
„ist es auch!“, gab Lina zu. „gestern gelernt.“ Lina sollte eines Tages die Nachfolgerin ihrer Großmutter werden und nahm daher schon eine ganze weile Unterricht bei ihr. Mit wechselndem Erfolg. Mal lief es gut, mal weniger gut. Momentan lief es sehr schlecht. Lina wandte sich zu Carolin. „Sag mal, hast du mich gestern angerufen?“, fragte sie ganz unvermittelt.
Carolin schüttelte den Kopf. „Nee, ganz bestimmt nicht! Wenn ich dich anrufe will ich auch mit dir sprechen. Warum also sollte ich auflegen?!“
„Komisch!“ Lina zögerte einen Moment und holte tief Luft. „vorgestern kam auch schon so ein dämlicher Anruf. Wenn ich rangehe meldet sich niemand. Aber man hört, dass jemand dran ist und nach einer Weile wird aufgelegt.“
„Wahrscheinlich hat sich jemand einfach nur verwählt.“, vermutete Carolin ohne Lina´s Worte allzu große Bedeutung beizumessen.
„Wahrscheinlich.“, antwortete Lina und versuchte das kleine Grummeln zu ignorieren, das sich in ihrem Bauch warnend ausbreitete.
Wenig später machen sich die beiden Mädchen auf den Heimweg.